Prof. Dr.-Ing. Hubert Hinzen von der Uni Trier ist eine Kapazität im Bereich der Antriebstechnik.

Ich habe Herrn Professor um eine Stellungsnahme zu meinen Wirkungsgradversuchen  Kette vs. Riemen gebeten.

 

  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein großes Dankeschön geht an Prof. Dr.-Ing. Hubert Hinzen für eine sehr schnelle und ausführliche Antwort.

Hier die wichtigen Aussagen zum Wirkungsgrad Kette vs. Riemen.  (wortgetreu)

 

  • Messungen haben zweifelsfrei ergeben, dass die Verluste eines Zahnriementriebes deutlich größer sind als die eines Kettentriebes.
  • Der Zahnriementrieb mag zwar zum Lifestyle-Produkt hochstilisiert werden, für die Optimierung des Wirkungsgrades ist er aber untauglich. Es gibt keinen Sinn, kleinste Energien durch die Verwendung eines noch leichteren Fahrrades einsparen zu wollen, anderseits aber durch den Riementrieb Energie zu verschwenden.
  • Es ist durchaus korrekt, von einer „inneren Reibung“ des Zahnriemens zu sprechen: Wenn der Riemen von der Geradeausfahrt in die Kurve geht, weil er mit den Riemenscheiben umlaufen muss, entzieht er dem Gesamtsystem Energie. Beim Übergang von der Kurvenfahrt in die Geradeausfahrt wird diese Energie teilweise wieder frei, aber der Riemen selber verbraucht auch einen Teil davon und setzt sie in Wärme um, die dabei als „innere Reibung“ verloren geht.
  • Die Kette hingegen hat Gelenke und verbraucht dabei wesentlich weniger Energie. Diese Feststellung gilt nicht nur bei Leerlauf und geringer Last, sondern auch bei hoher Last.
  • Ein weiterer Verlust kommt dadurch zustande, dass der Riemenzahn beim Auflaufen auf den Zahn der Riemenscheibe weitere Reibung hervorruft, die auch von der Vorspannung des Riemens abhängt.

 

=>Hinweise zu den Ergebnissen des Hochschulreports 2012

 

 

Ungekürzte Antwort des Prof. Dr.-Ing. Hubert Hinzen  auf meine Mail.

 

Sehr geehrter Herr Schmeißer,

 

seit geraumer Zeit beschäftigt sich die Hochschule Trier mit Fahrradtechnik: Es fing zunächst mit Fahrradreifen an, dann wurden die Untersuchungen auf den Fahrradantrieb ausgeweitet und zurzeit steht auch ein Prüfstand für Fahrradbremsen kurz vor der Fertigstellung. Unser Labor ist mit insgesamt 9 Prüfständen ausgestattet, von denen einige für die Fahrradindustrie nachgebaut wurden.

 

Sie interessieren sich besonders für den Wirkungsgrad des Fahrradantriebes, der ja  bekanntlich der Quotient aus Nutzen und Aufwand ist: Von der am Tretlager eingeleiteten Leistung (Aufwand) soll möglichst viel am Hinterrad (Nutzen) ankommen. Im Idealfall ist dieser Quotient 1 oder 100%. Der Kettentrieb in Kombination mit einer Kettenschaltung ist diesbezüglich der ideale Fahrradantrieb, weil er die Leistungsübertragung von der Tretlagerwelle zum Hinterrad mit der Funktion eines Schaltgetriebes vereinigt. Es gibt also nur einen Verlustverursacher.

 

Nabenschaltungen sind für sich betrachtet zwar Getriebe mit ausgezeichnetem Wirkungsgrad, müssen aber stets mit einem „Zugmitteltrieb“ (Oberbegriff für Kette, Flachriemen, Zahnriemen, Keilriemen, Poly-V-Riemen usw.) kombiniert werden, der die Leistung von der Tretlagerwelle auf das Hinterrad überträgt, wodurch sich ein System aus zwei Verlustverursachern ergibt. Aufgrund dieses systembedingten Nachteils weisen Antriebe mit Nabenschaltung in aller Regel einen geringeren Wirkungsgrad auf als die mit Kettenschaltung.

 

Dieser systembedingte Nachteil wird noch deutlicher, wenn die Fahrradkette durch einen Zahnriementrieb ersetzt wird. Messungen haben zweifelsfrei ergeben, dass die Verluste eines Zahnriementriebes deutlich größer sind als die eines Kettentriebes.

 

Diese Verluste steigen übrigens noch weiter an, wenn eine Nabenschaltung nicht mit Zahnrädern, sondern mit einem Reibradgetriebe ausgestattet ist. Dadurch lässt sich das Getriebe zwar stufenlos schalten, aber die Verluste fallen aufgrund des unvermeidlichen Schlupfes deutlich höher aus. Schließlich hat sich das stufenlose Getriebe auch für den Antrieb von Kraftfahrzeugen nicht durchsetzen können.

 

Unser Buch "Maschinenelemente 3" (Bucheinband s. Anlage) versucht, die Fragestellung des Wirkungsgrades von Zugmitteltrieben umfassend anzugehen. Hier werden die Prüftechnik und die Ergebnisse für Kettentriebe zwar ausführlich beschrieben, aber diese Lektüre dürfte ein eher mühsames Unterfangen werden, weil die Problematik mit ingenieurwissenschaftlicher Gründlichkeit in den Zusammenhang mit Reibung, Schlupf und Verschleiß gestellt wird. Dieses Buch stellt auch den neuen Prüfstand vor, mit dem Zugmitteltriebe für Industrieanwendungen untersucht werden.

 

Der "Hochschulreport von 2012" kam zu einem falschen Ergebnis. Mit einem neuen Prüfstand wurde 2016 der pulsierende Antrieb beim Fahrrad simuliert, was zu dem eindeutigen Ergebnis führt: Riemenantrieb hat einen mehrfach höheren Verlust als der Kettenantrieb. Beim Riemenantrieb fährt ungewollt eine Bremse mit. **Die genauen Ergebnisse unterliegen einer Vertraulichkeit. 

 

Im Hochschulreport 2016 (s. Anlage) werden Optimierungsstrategien geschildert, die den Wirkungsgrad eines Fahrradantriebes auf die Spitze treiben: Diese Rekorde sind nur möglich, wenn jedes überflüssige Milliwatt an Reibleistung vermieden wird. Der Riementrieb hätte dabei überhaupt keine Chance.

 

Es ist durchaus beachtlich, wie Sie versuchen, mit einfachen Mitteln den Wirkungsgrad von Kette und Riemen gegenüber zu stellen. Tatsächlich verdient diese Fragestellung viel mehr Aufmerksamkeit als es derzeit in den Medien der Fall ist, schließlich ist es eine der wichtigsten Aufgaben der Fahrradtechnik, die beschränkte Muskelleistung möglichst vollständig für den Antrieb des Fahrrades zu nutzen. Die in Ihren Videos vorgestellte Prüfvorrichtung mag zwar für Demonstrationszwecke sinnvoll sein, ist aber natürlich kein Messgerät, mit dem sich der Wirkungsgrad beziffern lässt. Zu den von Ihnen genannten Zahlenwerten zum Wirkungsgrad kann ich mich von hier aus schlecht äußern. Grundsätzlich besteht aber das Problem, dass die Antriebsleistungen von Akkuschrauber oder Erdbohrer als Antriebsmotor einerseits und die am Abtrieb entnommene Leistungen durch Anheben eines Gewichtes oder durch den Betrieb einer Wirbelstrombremse andererseits reichlich ungenau sind, so dass sie keine zuverlässigen Aussagen über den Zahlenwert des Wirkungsgrades zulassen.

 

Es ist durchaus korrekt, von einer „inneren Reibung“ des Zahnriemens zu sprechen: Wenn der Riemen von der Geradeausfahrt in die Kurve geht, weil er mit den Riemenscheiben umlaufen muss, entzieht er dem Gesamtsystem Energie. Beim Übergang von der Kurvenfahrt in die Geradeausfahrt wird diese Energie teilweise wieder frei, aber der Riemen selber verbraucht auch einen Teil davon und setzt sie in Wärme um, die dabei als „innere Reibung“ verloren geht. Die Kette hingegen hat Gelenke und verbraucht dabei wesentlich weniger Energie. Diese Feststellung gilt nicht nur bei Leerlauf und geringer Last, sondern auch bei hoher Last. Ein weiterer Verlust kommt dadurch zustande, dass der Riemenzahn beim Auflaufen auf den Zahn der Riemenscheibe weitere Reibung hervorruft, die auch von der Vorspannung des Riemens abhängt.

 

Der Zahnriementrieb mag zwar zum Lifestyle-Produkt hochstilisiert werden, für die Optimierung des Wirkungsgrades ist er aber untauglich. Es gibt keinen Sinn, kleinste Energien durch die Verwendung eines noch leichteren Fahrrades einsparen zu wollen, anderseits aber durch den Riementrieb Energie zu verschwenden.

 

Natürlich können Sie diese meine Aussagen zitieren, schließlich ist die Hochschule nicht nur für die Ausbildung von Studenten zuständig, sondern hat darüber hinaus auch die Aufgabe, die Öffentlichkeit aufzuklären

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr.-Ing. Hubert Hinzen

Hochschule Trier

 

 

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